Gegenanträge zur Vonovia Hauptversammlung 2020

Zur Vonovia-Hauptversammlung 2020, die am 30.6.2020 online stattfinden wird, haben kritische Aktionär*innen Gegenanträge gestellt. Die meisten Gegenanträge richten sich gegen die Verwendung des Bilanzgewinns 2019 für die Dividendenausschüttung. Gerade in Zeiten der Pandemie seien Rekordgewinne aus der Abschöpfung von Einkommen nicht zu rechtferigen, finden die KritikerInnen. Sie entwerfen zum Teil ein ganzes Programm, wie mit den hohen Überschüssen des Konzerns solidarisch umgegangen werden könnte. Auch aus Schweden, wo die Vonovia zuletzt prekäre Stadtteile von Blackstone übernahm, melden sich erstmals KritikerInnen bei einer Hauptversammlung. Antragstaller aus Dortmund und Witten beklagen, dass sich die Vonovia im Ruhrgebiet als Mitpreistreiber betätigt. Ein Gegentrag richtet sich gegen die Entlastung des Vorstandes, dem eine intransparente Rechnungslegung gegenüber den MieterInnen vorgeworfen wird.

Anträge zur Beschlussfassung über die Verwendung des Bilanzgewinns (TOP 2)

 

Gegenantrag von Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre e.V.

Beschlussvorschlag:

„Die Dividende soll zweckbestimmt für die Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie für die Mieterschaft und die Belegschaft der Vonovia SE, sowie für eine nachhaltige und nicht rendite-orientierte Bauerneuerung und einen paritätisch mitbestimmten Solidarfonds zur Sicherung sozialer Wohnverhältnisse eingesetzt werden. Auf eine Dividendenausschüttung wird verzichtet.“

Begründung:

Nach Berechnungen der Plattform kritischer Immobilienaktionär*innen fließen 37 Prozent der Mieteinnahmen des Jahres 2019 in die geplante Dividendenausschüttung. Dabei wurde berücksichtigt, dass bei der Vonovia einen Teil der Einnahmen auch aufgrund von Verkäufen und anderen Leistungen zustande kommt, mit denen die verbleibenden Mieter*innen nicht unmittelbar belastet werden. Im Jahr 2019 betrugen diese Renditequellen 9 Prozent des von der Vonovia erwirtschafteten operativen Überschusses der Einnahmen über die Ausgaben.

Die hohe Belastung der Mieter*innen durch die Maßnahmen zu Steigerung der Dividenden und fiktionalen Immobilienwerte ist schon in den vergangenen Jahren sozial inakzeptabel gewesen. Wie der Berliner Mietendeckel und der große Zuspruch der Bevölkerung zum Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ zeigen, wird das Modell der immer intensiveren Abschöpfung von Masseneinkommen auch politisch nicht mehr akzeptiert. Es ist damit auch für die Vonovia wirtschaftlich nicht zukunftsfähig.

Unter den Bedingungen der Coronakrise erscheint die Belastung der Arbeits-, Renten-und Sozialeinkommen der MieterInnen durch hohe Dividendenausschüttungen besonders unerträglich. Viele Menschen, die jetzt Einkommenseinbußen hinnehmen müssen, verschulden sich oder geben ihre Ersparnisse aus, nur um Mieten zu finanzieren, die zu einem großen Teil den Finanzanlegern als leistungslose Gewinne zufließen. Viele der Milliarden, die die öffentliche Hand in die Soforthilfen und den Ausbau der sozialen Sicherung der Krisen-Betroffenen investiert, wirken derzeit als indirekte Subventionen privater Immobilien-Renditen und damit in die Fortführung eines ohnehin verfehlten Geschäftsmodells.

Die Finanzierung der Krisengewinne der privaten Immobilienwirtschaft kann sich diese Gesellschaft nicht länger leisten. Deshalb fordern wir, dass die Vonovia SE in diesem Jahr ganz auf eine Gewinnausschüttung und auch auf weitere mietsteigernde Investitionen verzichtet und die im Jahre 2019 erwirtschafteten Überschüsse wie folgt umverteilt:

  • Die Vonovia sollte an allen ihren Standorten auf Mietsteigerungen verzichten und die Bestimmungen des Berliner Mietendeckels auf ihren gesamten Wohnungsbestandanwenden.
  • Alle aktuellen Kündigungen und Räumungsverfahren wegen Zahlungsverzugs sollteneingestellt und den betroffenen Mieter*innen sollten die Mietschulden erlassen werden.Es sollen auch alle Mietschulden erlassen werden, die bislang aufgrund der Coronakriseentstanden sind.
  • Leerstehender Wohnraum soll an Menschen vergeben werden, die unter unzureichendenWohnverhältnissen leiden.
  • Es sollen unabhängige Sozialberatungen finanziert werden, die den Mieter*innen bei Anträgen auf Sozialleistungen behilflich sind.
  • Es sollen die Bruttomieten der Vonovia SE für Wohnungen üblicher, angemessener Größeauf 30 Prozent der verfügbaren Haushaltseinkommen der jeweiligen Mieter:innenbegrenzt werden.
  • Der Teil des Bilanzgewinns, der nicht für die Deckung etwaiger Verluste aus den o.g.Maßnahmen benötigt wird, wird je zur Hälfte eingebracht in eine vom übrigen Vermögen getrennt verwaltete Bauerneuerungsrücklage und in einen Solidarfonds der Wohnungswirtschaft und der MieterInnen zur Absicherung zukünftiger Wohnungsversorgungsrisiken.

Die Verwendung der Rücklagen und des Solidarfonds soll von Vertreter*innen der Mieterschaften,der Belegschaft und der Stadtgesellschaft paritätisch mitbestimmt werden.

Im Interesse der Mieterschaft und der Belegschaft der Vonovia SE werden damit zugleich auch die Bedingungen dafür verbessert, die Wohnungen, bei begrenzten Kosten für die öffentliche Hand und ohne Verluste an der baulichen und wirtschaftlichen Substanz, in einem geordneten Prozess gem. Art. 15 GG in gemeinwirtschaftliche Trägerschaft zu überführen.

 

Gegenantrag eines Aktionärs aus Witten, Text von Ilhan Kellecioglu, Stockholm

Beschlussvorschlag:

„Der im Jahresabschluss der Vonovia SE zum 31. Dezember 2019 ausgewiesene Bilanzgewinn in Höhe von EUR 912.721.577,83 wird komplett in die Gewinnrücklage eingestellt. Der Vorstand wird aufgefordert, den gesamten Gewinn zweckbestimmt für die Deckelung der Mieten, die Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie in Mieterschaft und Belegschaft, sowie für die umweltgerechte Bauerneuerung ohne Wohnkostensteigerung und einen demokratisch kontrollierten Solidarfonds zur Sicherung sozialer Wohnverhältnisse einzusetzen. In schwedischen Wohngebieten mit einem hohen Anteil prekarisierter Bevölkerungsgruppen könnte ein erster Schritt in diese Richtung der Erlass von drei Monatsmieten wegen der Corona-Krise sein.“

Begründung:

Der Bezirk Husby in Stockholm ist eine der Gegenden in Schweden, die am stärksten von der Corona-Pandemie betroffen sind, sowohl finanziell als auch gesundheitlich. Gerade in Zeiten von Corona ist das eigene Zuhause von höchster Bedeutung, auch, um den Anweisungen der schwedischen Gesundheitsbehörde folgen zu können und um sich selbst und andere vor dem Virus zu schützen. Während die schwedische Behörde für die Beitreibung von Schulden bereits im März davor gewarnt hatte, dass sich Zwangsräumungen im Zuge der Pandemie häufen könnten, haben Vonovia-MieterInnen bislang keine kollektiven Rechtsansprüche zugesprochen bekommen, die sie konkret vor Zwangsräumungen und Mieterhöhungen schützen würden. Stattdessen hat die Vonovia beteuert, individuelle Lösungen für betroffene MieterInnen finden zu wollen. Allerdings ist dies höchst problematisch, da nicht alle MieterInnen in der Lage sind oder die Möglichkeit haben, ihre individuelle Situation zielgerichtet zu kommunizieren und ihre Rechte durchzusetzen.Deshalb müssen kollektive Lösungen für die gesamte Mieterschaft von Vonovia in Husby gefunden werden.

Die lokale Mieteraktion “Flagga Gult” (Gelbe Flagge), die am Beginn der Pandemie ins Leben gerufen wurde, fordert in einem ersten Schritt die Miete für alle Vonovia MieterInnen in Husby für drei Monate auszusetzen.

https://www.stockholmdirekt.se/nyheter/darfor-flaggas-det-gult-i-husby/reptdn!BRArbz4W1n9JByUE4f4VXQ/

MieterInnen in Husby haben gelbe Flaggen an ihren Fenstern angebracht, um ihre Unterstützung für “Flagga Gult” auszudrücken. Die Vonovia SE kann aufgrund des hohen Bilanzgewinns dieser Forderung mit Leichtigkeit entgegenkommen.

Das “Social Center Husby”, das Flagga Gult ins Leben gerufen hat, hat bereits etliche Anrufe von Vonovia-MieterInnen erhalten, die entweder selbst erkrankt sind oder aufgrund der Pandemie unter finanziellen Ausfällen leiden. Viele MieterInnen benötigen rechtlichen und gewerkschaftlichen Rat und Beistand und wollen ihre Situation schildern. Besondere Sorge bereitet, dass einige MieterInnen Briefe zur Schuldeneintreibung erhalten haben, auch nach dem Ausbruch der Pandemie. Deshalb beteiligen sich auch immer mehr Mieter an der Flagga Gult Aktion.

Viele BewohnerInnen in Husby, ein Bezirk der stark von Immigration und städtischer Armut geprägt ist, arbeiten als Tagelöhner oder in anderen prekären Verhältnissen. Sie leihen sich Geld bei Verwandten oder Freunden, um ihre Miete bezahlen zu können. Langfristig gesehen verschiebt dies aber die Probleme nur auf die Zukunft. Als Taxi-FahrerInnen, FriseurInnen und Selbständige sind sie außerdem verstärkt dem Risiko einer Erkrankung ausgesetzt. Anfang April hatte Rinkeby-Kista, der Stadtteil, in dem Husby liegt, eine um ein vielfaches erhöhte Corona Infektionsrate im Vergleich zu der Region Stockholm (47/10,000 Bewohner in Rinkeby-Kista, 13/10,000 Bewohner in der Region Stockholm siehe: https://www.thelocal.se/20200407/these-are-the-stockholm-districts-worst-affected-by-thecoronavirus ).

Viele BewohnerInnen sind entweder selbst erkrankt oder mussten für Familienmitglieder sorgen, sind im Zuge der Pandemie arbeitslos geworden oder waren schon arbeitslos und haben nun immer weniger Möglichkeiten, eine neue Arbeit zu finden. Als ersten Schritt verlangt Flagga Gult die Aussetzung der Miete für drei Monate für alle Vonovia-MieterInnen in Husby.

In weiteren Schritten brauchen Vonovia-Mieter langfristigen Schutz, der kollektiv geboten werden sollte und nicht auf individueller Basis. Kümmert sich die Vonovia nicht um dieses Problem, werden die Folgen in Husby desaströs sein.

 

Gegenantrag einer Aktionärin aus Witten, Text von Defne Kadioglu, Malmö

Beschlussvorschlag:

„Der im Jahresabschluss der Vonovia SE zum 31. Dezember 2019 ausgewiesene Bilanzgewinn in Höhe von EUR 912.721.577,83 wird komplett in die Gewinnrücklage eingestellt. Der Vorstand wird aufgefordert, den gesamten Gewinn zweckbestimmt für die Deckelung der Mieten, die Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie in Mieterschaft und Belegschaft, sowie für die umweltgerechte Bauerneuerung ohne Wohnkostensteigerung und einen demokratisch kontrollierten Solidarfonds zur Sicherung sozialer Wohnverhältnisse einzusetzen. Gerade in den vernachlässigten Wohnungsbeständen und marginalisierten Stadtteilen des schwedischen “Hembla”-Portfolios ist es erforderlich, eine mieternahe Verwaltung sicherzustellen und die Gebäude zu erneuern, ohne wesentlich höhere Mieten zu verlangen.“

Begründung:

Der Bezirk Husby im Stadtteil Rinkeby-Kista in Stockholm ist eine der am stärksten von sozialer und ökonomischer Marginalisierung betroffenen Gegenden in der Schwedischen Hauptstadt. Die Arbeitslosigkeit ist etwa doppelt so hoch wie der schwedische Durschnitt. Der ganze Stadtteil ist von räumlicher Stigmatisierung durch die Schwedischen und sogar Europäischen Medien betroffen. Vonovia SE besitztseit dem Kauf Hembla AB von Blackstone im letzten Jahr etwa 40 Prozent des Gebäude-Bestandes in Husby.

Die Probleme, die MieterInen bereits mit Blackstone hatten, haben sich auch nach dem Eigentumsübergang auf die Vonovia nicht verbessert. Insbesondere fällt auf, dass die Vonovia die Strategie der “stückweisen Renovierung” weiter nutzt, um die Mieten in Husby anzutreiben: Leere Wohnungen werden renoviert und dann zu einem wesentlich höheren Mietpreis neu angeboten. Unterdessen werden nicht-renovierte Wohnungen stark vernachlässigt. MieterInnen berichten von Löchern in der Küchenwand, Schimmel und undichten Fenstern. In den Gebäuden gibt es Probleme mit Aufzügen, die ständig außer Betrieb sind oder steckenbleiben (allein im Monat April ist dies fünfmal passiert).

Beklagt wird auch eine ansteigende Zahl von Ratten in der ganzen Nachbarschaft und in den Gebäuden. Die Ratten-Problematik ist erst in den letzten Jahren entstanden. Es wird befürchtet, dass der Befall auch zu Folgeschäden an den Gebäuden führt. Viele Vonovia-MieterInnen in Husby sind Großfamilien und nehmen die gemeinsamen Waschmaschinen in den Gebäuden häufig in Anspruch. Allerdings sind diese häufig außer Betrieb. In der Vergangenheit wurde ein Mitarbeiter der Wohnungsgesellschaft beauftragt, jeden Morgen um sieben Uhr alle Waschzimmer zu kontrollieren. Dies wird gegenwärtig unter Vonovia nicht weitergeführt, wäre aber ein guter Ansatzpunkt, um das Problem zu lösen.

Die schlechte Instandhaltung und Bewirtschaftung der Gebäude wurde auch in den Schwedischen Medien aufgegriffen:
https://www.svt.se/nyheter/lokalt/stockholm/hyresgasterna-kampar-for-battre-bostadsmiljo.

Abgesehen von den höheren Mietpreisen, den sich die ohnehin schon stark prekarisierten BewohnerInnen Husbys nur schwer leisten können, steht auch die Qualität der Renovierungen selbst zur Debatte: Einem Mieter wurde eine neue -renovierte -Wohnungen zugestanden, nachdem es in seiner alten Wohnung einen Wasserschaden gab. Allerdings gab es in diesen neuen Wohnungen erhebliche Probleme, wie etwa hervorstehende Schrauben, wie auch immer wieder Schimmel, Verfärbungen, undichte Balkontüren etc..

Nicht zuletzt haben Vonovia-MieterInnen große Schwierigkeiten, diese Probleme der Wohnungsgesellschaft mitzuteilen. Das lokale Büro hat nur vier Stunden pro Woche geöffnet. Die BewohnerInnen wurden aufgefordert, ein regionales Vonovia-Call-Center anzurufen. Dort hängen sie oft für 45 Minuten in der Warteschleife und die Call-Center-MitarbeiterInnen selbst haben oft keine Informationen über die spezielle Situation in Husby, was die Problembeseitigung weiter erschwert.

 

Gegenantrag von Markus Roeser, Dortmund

Beschlussvorschlag:

„Der im Jahresabschluss der Vonovia SE zum 31. Dezember 2019 ausgewiesene Bilanzgewinn in Höhe von EUR 912.721.577,83 wird komplett in die Gewinnrücklage eingestellt. Der Vorstand wird aufgefordert, den gesamten Gewinn zweckbestimmt fürdie Deckelung der Mieten, die Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie in Mieterschaft und Belegschaft, sowie für die umweltgerechte Bauerneuerung ohne Wohnkostensteigerung und für einen demokratisch kontrollierten Solidarfonds zur Sicherung sozialer Wohnverhältnisse einzusetzen. Ebenso werden Gewinne, die von Tochterfirmen aus umgelegten Betriebskosten erzielt wurden, an die Mieter zurückgezahlt.“

Begründung:

Die wirtschaftlichen Folgen der Wirtschaftskrise infolge der Covid-19 Pandemie sind noch nicht absehbar. Bisher ist die Anzahl der gestundeten Mieten noch überschaubar. Ob sich geplante Mietsteigerungen jedoch bei geringerem Einkommen in den nächsten Jahren realisieren lassen, ist fraglich. Davon unabhängig zeigen die zunehmenden Anspannungen auf vielen deutschen Immobi-lienmärkten, dass Wohnen und weitere Mietrechtsregularien politisch vermehrt diskutiert werden. Verschiedene Initiativen setzen sich in verschiedenen Städten für weitere Marktregulierungen ein. Der Mietpreisdeckel in Berlin oder die Verschärfung der Mietpreisbremse sind die prominentesten Beispiele. Die aktuelle Unternehmenspolitik provoziert weitere Regulierungen. Um dieser zuvorzukommen, sollten die erzielten Gewinne anders umverteilt werden.

Die Mietpreise liegen absolut unter dem Durchschnitt, sie steigen allerdings seit Jahren und treiben auch örtliche Mietpreisniveaus in die Höhe. Eine Auswertung für Dortmund zeigt beispielsweise, dass Wohnungen regelmäßig 20%-40% über dem Wert des Mietspiegels angeboten werden. Die Wohnungsangebote der Vonovia tragen damit zu hohen Mietpreissteigerung in der Stadt bei. Dadurch wird auch die Einführung der Mietpreisbremse und ähnliche weitergehende Mieterrechte für Städte wie Dortmund von mehreren Verbänden gefordert.

Investitionen in jahrzehntelang vernachlässigte Quartiere sind für Mieter*innen häufig mit hohen Mieterhöhungen verbunden. Allein in Dortmund wurden seit Herbst letzten Jahres mehrere Modernisierungsmaßnahmen mit Mieterhöhungen von 60-90€ verschickt. Sofern energetische Modernisierungen vorgenommen wurden, konnten die Einsparungen die Erhöhungen nicht ausgleichen. Angesichts der aktuellen Situation können sich wirtschaftliche Härtegründe in der Mieterschaft häufen. Die Modernisierungen müssen daher künftig möglichst mit Eigenkapital, ohne oder nur mit sehr geringen Mieterhöhungen umgesetzt werden.

In vielen Dortmunder Siedlungen äußern Mieter*nnen Unmut über steigende Betriebskostenabrechnungen. Die Tatsache, dass über Tochterfirmen im Rahmen der Betriebskosten Gewinne erwirtschaftet werden, stößt bei den Mieter*innen auf Unverständnis. Wie sich an Klagen in München und Dresden zeigt, wehren sich Mieter*innen auch zunehmend gerichtlich. Eine Entscheidung des BGH zu erweiterten Belegeinsichten in Abrechnungen bei Tochterfirmen steht an. Es ist zu vermuten, dass darüber hinaus auch gerichtliche Prüfungen der Zulässigkeit von Mieter*innen angestrebt werden.

Für zukünftige Rückzahlungen an Mieter*innen sollten die aktuell erzielten Gewinne mit Geschäftsbereichen, die auf die Betriebskosten umgelegt werden können, zurückgestellt werden. Wahlweise können diese Gewinne auch vorausschauend zurückgezahlt werden, um weiteren Druck aus der politischen Diskussion zu nehmen.

 

Gegenanträge von Karlheinz Paskuda, Mannheim

Beschlussvorschlag1:

„Der im Jahresabschluss der Vonovia SE zum 31. Dezember 2019 ausgewiesene Bilanzgewinn in Höhe von EUR 912.721.577,83 wird komplett in die Gewinnrücklage eingestellt. Der Vorstand wird aufgefordert, den gesamten Gewinn zweckbestimmt für die Deckelung der Mieten, die Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie in Mieterschaft und Belegschaft, sowie für die umweltgerechte Bauerneuerung ohne Wohnkostensteigerung und für einen demokratisch kontrollierten Solidarfonds zur Sicherung sozialer Wohnverhältnisse einzusetzen. Den Mieter*innen ist für die Zeit der Pandemie für mehrere Monate, in denen sie arbeitslos oder in Kurzarbeit sind, die Miete nicht nur zu stunden, sondern komplett zu erlassen.“

Begründung:

Die nicht nur volle Auszahlung, sondern sogar noch Erhöhung der Dividende ist ein Affront gegenüber allen Menschen, die unter der Corona-Pandemie gelitten haben und noch leiden. Dies gilt auch für viele Mieter*innen: Viele sindvon Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit betroffen. Da der VONOVIA-Konzern schon in der Vergangenheit Mieten stetig und auf breiter Fläche erhöht hat, sind die VONOVIA-Mieter*innen ohnehin bereits auf breiter Front an ihre Grenzen der Zahlungsmöglichkeiten derMieten gekommen. Vielen droht daher die Privatinsolvenz: Sie werden gestundete Mieten auch bis 2022 nicht zahlen können. Auch für den VONOVIA-Konzern ist das ein Problem: An vielen Standorten –gerade mit vielen Wohnungen –gibt es viele Menschen, die ebenso betroffen sind wie die jetzigen Mieter*innen. D.h. Der Konzern sollte auch ein Eigeninteresse daran haben, die jetzt betroffenen Mieterinnen dauerhaft zu entlasten.

Beschlussvorschlag2:

„Der im Jahresabschluss der Vonovia SE zum 31. Dezember 2019 ausgewiesene Bilanzgewinn in Höhe von EUR 912.721.577,83 wird komplett in die Gewinnrücklage eingestellt. Der Vorstand wird aufgefordert, den gesamten Gewinn zweckbestimmt für die Deckelung der Mieten, die Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie in Mieterschaft und Belegschaft, sowie für die umweltgerechte Bauerneuerung ohne Wohnkostensteigerung und für einen demokratisch kontrollierten Solidarfonds zur Sicherung sozialer Wohnverhältnisse einzusetzen. Der Konzern muss so in die Lage versetzt werden, neue Strukturen aufzubauen und im Falle einer Vergesellschaftung die Wohnungen sinnvoll und sozial für die hunderttausende Mieter*innen zu verwalten.“

Begründung:
Das Beispiel DEUTSCHE WOHNEN in Berlin zeigt, wie nah eine dauerhafte Vergesellschaftung eines Immobilienkonzernes sein kann: In Berlin beginnt im Herbst 2020 ein entsprechendes Volksbegehren. Es gibt kaum Zweifel daran, dass im Falle eines Erfolges auch die anderen Immobilienkonzerne in den Blickpunkt der Vergesellschaftung geraten, zumal unser Grundgesetz dafür die Voraussetzungen liefert.Da das Grundrecht auf Wohnen gesellschaftlich unumstritten ist, sollte sich der VONOVIA-Konzern auf eine derartige Entwicklung einstellen. Dieses geht am besten mit einer jetzt schon an sozialen Kriterien orientieren Geschäftspolitik. Hierzu gehört auch ein maximaler Gewinn von 4 %. D.h.: Es dürfen in Nicht-Pandemie-Jahren nur 4 %, nicht 34 % der Mieten als Gewinn ausgeschüttet werden. In Krisenjahren wie 2020 ist gar kein Gewinn auszuschütten.

 

Gegenantrag von Knut Unger, Witten

Beschlussvorschlag:

„Der im Jahresabschluss der Vonovia SE zum 31. Dezember 2019 ausgewiesene Bilanzgewinn in Höhe von EUR 912.721.577,83 wird komplett in die Gewinnrücklage eingestellt. Der Vorstand wird aufgefordert, den gesamten Gewinn zweckbestimmt fürden Erlass und die Deckelung von Mieten, die Bewältigung der Folgen der Corona-Pandemie in Mieterschaft und Belegschaft, sowie für die umweltgerechte Bauerneuerung ohne Wohnkostensteigerung und für einen demokratisch kontrollierten Solidarfonds zur Sicherung sozialer Wohnverhältnisse einzusetzen.“

Begründung:

1.

Im Zuge der Corona-Pandemie haben viele MieterInnen starke Einkommenseinbußen hinnehmen müssen, während ihre Wohnkosten konstant blieben oder sogar noch angestiegen sind. Auch nach Lockerung der Kontaktbeschränkung wird es bei starken Einkommenseinbrüchen bleiben, da eine sehr schwere Wirtschaftskrise zu erwarten ist. In dieser Situation ist es gesellschaftlich nicht mehr zu rechtfertigen, dass die kapitalmarktorientierte Wohnungswirtschaft einen wachsenden Anteil der Arbeits-und Sozialeinkommen für leistungslose Renditen abschöpft. 37 Cent pro Euro Mietzahlungen landen bei der Vonovia in der Dividende!

Immerhin hat die Vonovia nach eigenem Bekunden in den letzten Monaten auf weitere Mieterhöhungen verzichtet. Auf diesen ersten Schritt müssen nun weitere folgen. In Witten liegen Vonovia-Mieten, die aufgrund von „Modernisierungen“ oder im Zuge einer Wiedervermietung angehoben wurden, bis über 40 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete und treiben damit das gesamte Mietengefüge nach oben. Dieser Prozess muss sofort beendet werden. Die Mieten sind für alle MieterInnen mindestens auf die ortsübliche Vergleichsmiete zu senken.

In vielen Großstädten reicht das nicht mehr aus, um das Wohnen bezahlbar zu machen. Deshalb sollte die Vonovia SE Regelungen, die denen des Berliner Mietendeckels entsprechen, auf ihren gesamten Wohnungsbestand anwenden und die Mieten entsprechend senken. Dies führt zu Absenkungen der Mieteinnahmen in den Folgejahren, die die Bewirtschaftung der Wohnungen in keiner Weise gefährden, zumal die Reserven aus der eigensparten Dividende zur Verfügung stehen.

Der Mietverzicht stärkt nicht zuletzt die Kaufkraft vieler Menschen und damit die lokale Ökonomie. Ohne Mietendeckel würden die sozialen Hilfsmaßnahmen als Subventionen hoher Renditen wirken. Die Vonovia wäre eine Krisengewinnerin, die von dem Elend anderer profitiert.

2.

Die Soforthilfemaßnahmen und erleichterten Zugänge zu Sozialleistungen haben viele Menschen, deren Erwerbsgrundlage zusammengebrochen ist, vorübergehend über Wasser gehalten. Das Kündigungsmoratorium hat zusätzlich geholfen, dass Einkommensausfälle nicht unmittelbar das Wohnverhältnis bedrohen. Aber dieses soziale Sicherungssystem hat Lücken, die aufgelaufenen Mietschulden müssen bis 2022 zurückgezahlt werden und die Krise ist noch lange nicht beendet!

Wenn die MieterInnen unzureichend Sozialleistungen beziehen, muss die Vonovia die Mieten und Mietschulden bis zu einem tragfähigen Niveau erlassen. Falls nötig, muss zeitweise ganz auf die Miete verzichtet werden. Regel sollte sein, dass kein Mieterhaushalt der Vonovia eine höhere Wohnkostenbelastung seines Nettoeinkommens als 30 % ertragen muss.

Sollten die Mietausfälle dazu führen, dass laufende Kosten nicht gedeckt werden können, stehen dafür die Gewinnrücklagen zur Verfügung.

3.

Die Deckelung und der Erlass der Mieten darf und muss nicht dazu führen, dass die Instandsetzung der Wohnungsbestände und ihre Ertüchtigung für die CO2-Neutralität vernachlässigt werden. Gerade weil jetzt trotz Corona und auch wegen der Wirtschaftskrise in die klimagerechte Erneuerung der Wohnsiedlungen investiert werden muss, brauchen wir die gesamte Dividende und die in Modernisierung-Mietsteigerungen investierten Mieteinnahmen für energetische Erneuerungen ohne Erhöhungen der Wohnkosten und für einen umweltgerechten Neubau, der zu erschwinglichen Mieten angeboten werden kann.

Deshalb kommt der Bildung einer auch von den Mietern mitbestimmten ökologischen Bauerneuerungsrücklage besondere Bedeutung zu.

 

Antrag zur Beschlussfassung über die Entlastung des Vorstandes (TOP 3)

Gegenantrag von Knut Unger, Witten

Beschlussvorschlag:

„Die Entlastung der Mitglieder des Vorstandes wird abgelehnt.“

Begründung:

Durch die systematische Ausnutzung gesetzlicher Regelungslücken und der strukturell schwachen Rechtswahrnehmung der MieterInnen, sowie durch Missbrauch der Gestaltungmöglichkeiten eines großen Konzerns, hat der Vorstand auch in den Geschäftsjahren 2019 und 2020 die gesellschaftliche Reputation der VONOVIA SE geschädigt. Es sind gerichtliche und politische Reaktionen zu erwarten, die dazu führen können, dass ganze Geschäftsmodelle aufgegeben werden müssen, dass ein Teil der Miet-und Nebenkosteinnahmen gesenkt oder zurückgezahlt werden muss und dass der Ruf nach Enteignung und Vergesellschaftung der finanzdominierten Wohnungswirtschaft immer lauter wird. Als Mietervertreter beobachte ich einen systematischen Missbrauch des Informations- und Gestaltungsmonopols des Vorstandes vor allem in den folgenden Bereichen:

1.

Die Abrechnungen von auf die Mieter umlagefähigen Betriebs-, Heiz-und Modernisierungskosten beruhen zu immer größeren Teilen auf konzerninternen Rechnungen, die mietrechtlich nicht prüffähig, inhaltlich falsch und überhöht sind. Damit steht im Geschäftsjahr 2019 ein operativer Gewinn (EBITDA) aus diesen Abrechnungen in Höhe von ca. 129 Mio. Euro (geschätzter interner Anteil am Value Add-Ergebnis) in Verdacht, auf rechtlich tönernen Füßen zu stehen.

Die Überschüsse des internen Anteils im Berichtssegments „Value Add“ beruhen auf den Gewinnen von Umlage-Rechnungen, die von konzerneigenen Service-Firmen an die ebenfalls konzerneigene Immobiliengesellschaft ausgestellt und in deren Namen von der konzerneigenen Wohnungsverwaltung als Umlageabrechnungen an die MieterInnen weitergegeben werden. Alle diese Firmen sind mit dem Vonovia-Vorstand intensiv personell verflochten, zur Gewinnabführung verpflichtet und dem einheitlichen Managementsystem der Konzern-Holding unterworfen. Die Konzernholding als Ganzes ist somit als die einheitlich handelnde Vermieterin zu betrachten.

Firmen wie die „Vonovia Immobilien Service GmbH“ („Hauswarte“ = Objektbetreuer, vor allem Datenerfassung für die Vonovia-IT), „Vonovia Wohnumfeld Service GmbH“ (Abrechnung von Garten-und Winterdiensten mit Gewinnaufschlägen), „Vonovia Mess Service GmbH“ (konzerninterne Vermietung von Geräten), „Vonovia Energie Service GmbH“ (Gasabrechnung mit hohen Aufschlägen auf den Nettopreis), „Deutsche TGS GmbH“ (Wartungen) oder „Vonovia Modernisierungs bzw. Engineering GmbH“ (Abrechnung von mieterhöhungswirksamen Modernisierungsleistungen) dienen innerhalb dieser Konstruktion nicht zuletzt der Erstellung von gewinnträchtigen Rechnungen. Als Vermieterin steht der Vonovia SE jedoch nicht zu, andere Beträge als solche Aufwendungen auf die Mieter umzulegen, die ihr tatsächlich konzernextern als Personal-,Sach- oder Beauftragungskosten entstanden sind.

Die Aufklärung dieser Vorgehensweise durch Mietervertreter versucht die Vonovia systematisch abzuwehren und zu behindern. Damit kann aber auf Dauer nicht verhindert werden, dass die Konstruktion von konzerninternen Abrechnungen bei konsequenter höchstrichterlicher Prüfung (oder nachbessernden Gesetzgebung im Sinne des Mieter-und Verbraucherschutzes) in sich zusammenbrechen wird.

2.

Zumindest in einem Teil der Städte – so zum Beispiel in Witten – verlangt die Vonovia nach Modernsierungen und bei neuen Vertragsabschlüssen Grundmieten, die bis zu mehr als 40 % über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Bei konsequenter Anwendung des § 5 WiStG (oder Durchsetzung der geplanten Verschärfung dieser Bestimmung) müssten die Mieten reduziert, die Überhöhungsbeträge erstattet und Ordnungsgelder gezahlt werden. Die Vonovia SE betätigt sich in den betroffenen Städten eindeutig als eine treibende Kraft des Mietenanstiegs in Massenwohnungsbestand. Auch in Städten ohne Mietpreisbremse und Mietendeckel ist deshalb zu erwarten, dass dieser Missbrauch auf Dauer durch eine Verschärfung des Wirtschafsstrafgesetzes oder Mietendeckel abgestellt wird.

3.

In ihren Mietverträgen versucht sich die Vonovia mit Hilfe von unwirksamen Formularklauseln zu Lasten der MieterInnen Vorteile zu verschaffen, die einem solide wirtschaftenden Unternehmen nicht würdig wären.

Dies betrifft u.a. die nach Abmahnung durch der Verbraucherzentrale NRW und des DMB inzwischen abgeänderte Praxis der „Erschleichung“ eines privaten Energieversorgungsvertrages für die Vonovia im Zuge einer Mietvertragsabschlusses, aber auch die generelle Erlaubnis zur Auskunfteinholung bei Behörden im Falle von Sozialleistungsbezug, die Verpflichtung zur Lastschrifterteilung oder die immer länger werdende Liste von „sonstige Betriebskosten“, die „auf Vorrat“ vereinbart werden.